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Aus dem Nähkästchen geplaudert oder Erfahrungen mit Online-Formaten im Jahr 2020

Das Jahr 2020 war für alle eine Herausforderung. Auch wir Supervisor*innen und Coaches wurden plötzlich mit einer komplett neuen Situation konfrontiert: Üblicherweise begleiten wir Wandel, oder Neudeutsch Change-Prozesse, helfen unseren Klient*innen und Unternehmen dabei, mit Herausforderungen zurechtzukommen, Konflikte zu bereinigen und Krisen gut zu überstehen. Im besten Fall kann die Krise als Chance für Veränderung und Neues genutzt werden. Und nun waren wir auf einmal selbst in der Sackgasse. Wir durften nicht mehr so wie bisher arbeiten. Im ersten Lockdown erlebten die meisten von uns zunächst Stillstand: Viele (zu viele) Prozesse wie Supervisionen, Coachings, Mediationen und Organisations- oder Teamentwicklungen wurden von den Auftraggeber*innen gestrichen. Ihre Motivation war vermutlich Unsicherheit: in Krisensituationen stellen sich Menschen tot, flüchten oder gehen zum Angriff über — da war für Supervision etc. möglicherweise kein Raum mehr.

Im Austausch mit Kolleg*innen wälzten wir die Frage, wie es mit unserer Profession weitergehen soll und kann, wie wir uns für die Zukunft aufstellen und was wir tun können. Dabei konnten wir alle Reaktionen auf Veränderungen, die wir aus unserer Arbeit mit Teams und Einzelnen kennen, erleben: Von der totalen Verweigerung „Digital mache ich nichts! Das geht nicht, da kann ich keine Verbindung zu meinen Klient*innen aufbauen! Ich bin zu alt dafür! …!“ über wilden Aktionismus „Hast du bei dem Webinar teilgenommen? Hast du dich schon damit beschäftigt? Ich bin jeden Tag bei zwei Webinaren dabei! ...!“ und Verwirrung bis hin zur Schockstarre „Ich kann gerade nicht darüber nachdenken! Ich sehe keinen Ausweg! …!“ Nach diesen anfänglichen Reaktionen fanden wir zur Besonnenheit zurück. Wir begannen, die Zeit zu nutzen, uns mit digitalen Formaten zu beschäftigen und alternative Möglichkeiten auszuarbeiten und zu erproben. Nachdem der eigene Widerstand überwunden war, galt es, den Widerstand der Klient*innen zu minimieren: Am häufigsten wurde wohl genannt „Wir müssen so viele Online-Meetings machen, da können wir nicht auch noch Supervision online ertragen“ oder die Sorge „Das kann doch nicht klappen, da fehlt das Vertrauen und der Kontakt“. Nur wenige ließen sich im ersten Lockdown bereits auf Online-Formate in der Supervision etc. ein.

Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 war im Frühsommer und Sommer die Freude der Teams groß, wieder Supervision und Coachings beginnen zu können. Zunächst ging es sehr stark darum, wie der Lockdown erlebt worden war, was das für die Einzelnen und was für das Team oder die Organisation bedeutet hat. Positive und negative Erfahrungen wurden ausgetauscht und geteilt. Die Freude, sich wieder physisch treffen zu dürfen, war riesig. Im weiteren Jahresverlauf wurden jedoch Risse sichtbar: Es traten „Sollbruchstellen“ zutage. Themen, Konflikte und dysfunktionale Regelungen, die zuvor gut kompensiert oder unter den Teppich gekehrt worden waren, kamen in aller Deutlichkeit ans Licht und es wurde klar: Supervision, Coaching, Team- und Organisationsentwicklung oder Mediation auszusetzen ist keine sinnvolle Option. Im Gegenteil!

Unsere Erfahrungen, die wir mit den Klient*innen, die sich bereits früh auf Online-Formate eingelassen hatten, waren durchweg positiv. Natürlich ist ein physisches Treffen vorzuziehen. Dennoch hat auch Online seine Vorteile: So sind die Teilnehmenden in Online-Formaten fokussierter, wodurch mehr Themen bearbeitet werden können; es entsteht Nähe, das Gefühl für die eigenen und die Bedürfnisse von Kolleg*innen bleibt; Missverständnisse können schnell aus der Welt geräumt werden, Konflikte können angegangen, Herausforderungen durch die sich wandelnden Arbeitsbedingungen können zeitnah erkannt und bearbeitet werden, um nur einige Beispiele zu nennen. Das erleichterte die Arbeit im erneuten Lockdown. Diesmal machten fast alle weiter mit den begonnenen Prozessen. Es fanden auch Akquise- und Auswahlverfahren Online statt und neue Prozesse starteten. Denn auch die Unternehmen und Arbeitnehmer*innen erkannten, dass es nötig ist, gerade in Krisenzeiten nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern proaktiv zu handeln und die Zukunft zu gestalten.

Für mich persönlich ist noch ein weiterer Punkt wichtig: Die Ökologie! Viele Geschäftsreisen werden zukünftig hoffentlich überdacht werden, da sich gezeigt hat, dass Online sehr gut gearbeitet werden kann!

 

Christine Greiff im Januar 2021