Supervision & Coaching
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Alles Zoom oder was? Virtuelle Beratung in Corona Zeiten

Am 27. Januar traf sich über Zoom eine Gruppe von zwölf SupervisorInnen und Coaches des Netzwerks Supervision & Coaching im Raum Nürnberg. Eingeladen hatten Christine Greiff und Michael Greissel Sprecher des Netzwerks, Intention war ein Erfahrungsaustausch über virtuelle Beratungsformate in Zeiten der Corona Pandemie.

Neben rechtlichen Fragestellungen wurden Vor- und Nachteile, Chancen und Bedenken in Bezug auf Online Beratung diskutiert und einige Beispiele von Best Practice benannt.

Einen Aspekt möchte ich hier vertiefen, nämlich die (oft unbewusste) Wirkung unterschiedlicher Beratungsorte auf die Beziehung zwischen Berater*in und Klient*in und dem folgenden Beratungsprozess. Grundsätzlich unterscheide ich vier mögliche Beratungsorte, die ich im Folgenden kurz darstelle und mögliche unbewusste Assoziationsketten und Wirkungen andeute.


Fall 1: Klient*in kommt in die Räume des/der Supervisor*in ("Coach" möge bitte immer mitgedacht werden). Der/die Supervisor*in ist hier "zuhause", fühlt sich sicher, "empfängt" den "Gast" in den eigenen vier Wänden. Auf Seiten des / der Ratsuchenden ist eine größere Unsicherheit zu vermuten. Wohin gehe ich? Was wird mich erwarten? Wie wird es dort sein? Mögliche Assoziationen könnten sich in Richtung eines Arztbesuches (Terminvereinbarung!), Psychotherapeuten oder Friseurtermins bewegen. Diese Assoziationen werden eine Auswirkung darauf haben, was ich dort zu erwarten habe, welche Rolle und welches Verhalten angemessen sind und was ich fordern darf (ein Friseur ist z.B. ein Dienstleister, der mich wieder "schön" macht).


Fall 2: Der/die Supervisor*in kommt zur Beratung in Räume des Kunden, was v.a. bei Teams in Organisationen nicht unüblich ist. Hier sind die Vorzeichen vertauscht. Klient*innen bewegen sich auf sicherem Terrain, der/die Supervisor*in begibt sich in die Fremde und muss sich dort erst zurechtfinden, den Platz erobern, Rituale und Verhaltensweisen erspüren und mit unausgesprochenen Erwartungen umgehen. Was bedeutet es, wenn ein Team oder eine Organisation jemanden kommen lässt? Empfängt man eher einen Gast mit aller Höflichkeit oder einen ungeliebten externen Berater, der gefährlich für das Innenleben sein könnte oder ergeben sich Ansprüche daraus ("Handwerker, der ins Haus kommt...")?


Fall 3: Ratsuchende und Berater*in treffen sich an einem dritten Ort, auf neutralem Terrain (z.B. in einem Tagungshaus). Den "Heimvorteil" hat hier in der Regel keiner von beiden, allerdings treten Gruppen und Teams als Systeme auf, die sich entweder schon länger kennen und vertrauter sind (Teams) oder zumindest durch ihre Rolle als zu Beratende eine Gemeinsamkeit haben. Wie soll sich der/die Supervisor*in hier positionieren? Es lauern Hierarchiefallen, Machtkonflikte oder Rollenangebote, die für eine Beratung kontraproduktiv sein können. Entweder der/die Supervisor*in soll von der Gruppe vereinnahmt werden (als Gast am dritten Ort sind wir doch alle eines...) oder er / sie wird eher als Fremdkörper, das "Andere" angesehen. Auch hier lassen sich vielfältige Wirkungen ableiten.


Fall 4: Der neueste Beratungsort ist sicherlich der "virtuelle" Raum, also alle Arten von Onlineformaten, z.B. Zoom. Asynchrone, schriftliche Formen sollen hier als Sonderfälle nicht berücksichtigt werden. Welche unbewussten Vorannahmen, Assoziationen, Rollenzuschreibungen werden hier wirkmächtig? Offensichtlich ist, dass weder Berater*in noch Klient*in räumlich unterwegs sind, die Distanz wird im virtuellen Raum überbrückt. Auch hier stellt sich die Frage - wenn auch nicht so deutlich - wer eigentlich einlädt. Wer ist Herr*in über den Beratungsraum und hat z.B. die Steuerungshoheit und wer ist eher in der Abhängigkeit? Zudem werden hier immer mindestens zwei Orte, bei Teams und Gruppen auch mehr, miteinander verknüpft. Es sind nicht mehr alle am gleichen Ort außer im virtuellen Beratungsraum. Hinter dem virtuellen Raum befinden sich die Personen an ihren Arbeitsplätzen, in der Privatwohnung oder gar in der Öffentlichkeit, z.B. in einem Park. Darüber nachzudenken und genau zu beobachten, welche Wirkungen dies entfaltet, ist sicherlich eine spannende Herausforderung. Und: Es macht einen Unterschied, ob ich mich ganz real und physisch zu einem Beratungsort aufmache oder ob es genügt, den Rechner rechtzeitig einzuschalten und die Internetverbindung zu prüfen. Wieviel Mühe muss ich aufwenden, um supervidiert zu werden? Wird die Supervision eher zu einem Termin, den ich zwischen andere Onlinetermine hineinschiebe? Ist die Assoziation dazu eher "Online Konferenz" oder "Youtube"? Und was ergibt sich daraus für Haltung, Anspruch, Beziehung?

Ich will es dabei belassen. Ich denke aber, dass es sich lohnt, diese Phänomene im Blick zu behalten und darüber zu reflektieren. Immer im Sinne einer gelingenden Supervision oder eines gelingenden Coachings.

Stephan Daniel Richter im Februar 2021