Die Erfahrungen auf dem Weg durch die neun Tore haben Entsprechungen in supervisorischen Verfahren. Häufig werden Strukturen oder Phasen in der Entwicklung eines Teams oder einer Organisation, die nicht unmittelbar bekannt oder begreifbar sind durch Visualisierungen, Diagramme, soziale Skulpturen oder Organisationsaufstellungen erfahrbar gemacht. Dabei geht es immer darum abstraktes in begreifbares, nur vorhandenes in verfügbares Wissen zu verwandeln.
Die „Einladung zur Konfrontation menschlich verkörperter Position mit den Dimensionen planetarischer und eiszeitlicher Perspektiven“ im Pavillon entspricht ebenfalls Verfahren zum Perspektivwechsel in der Supervision. Ein häufiges, sehr viel einfacheres Verfahren ist etwa die „Zwei-Stuhl-Arbeit“ in der ein Dialogpartner die Position und damit auch die Empfindungen des Gegenübers explorieren kann.
Eliasson regt dazu an, die „Antwort auf ein aktuelles Thema in sich selbst zu finden“. Auch dieses Verfahren hat seine Parallelen in der Supervision. Häufig kommen Supervisanden mit dem Wunsch nach Antworten auf ihre Fragen. Am Ende der Einheit steht dann die Erkenntnis, dass die Antworten bereits da waren, aus verschiedenen Gründen aber nicht gesehen, gehört oder gedacht werden konnten. (vgl. Eliassons Kunstbegriff im Interview)
Eine weitere Erfahrung in der Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk kann die Erschütterung der scheinbar objektiven Wahrnehmung sein. Wie so oft in sozialen Situationen ist keine objektive „Wahrheit“ auszumachen, vielmehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass nicht nur das Farbempfinden sehr subjektiv ist und sowohl von der Blickrichtung wie dem eigenen Standpunkt abhängt. Dieser Zweifel an der eigenen Wahrheit ist oft der Schlüssel für gelungene, respektvolle Kommunikation. Diese Kompetenz wird in Supervision und Coaching stetig weiterentwickelt.
Text und Fotos Michael Greißel
Weitere Gedanken zu dem Kunstwerk von Olafur Eliasson finden sich in einem Interview:
https://www.torial.com/franziska.horn/portfolio/550321